Patricia Dreyfus – S U S P E N D E D
Ausstellung mit Werken der Künstlerin Patricia Dreyfus

31. August 2024 - 20. Oktober 2024
Magdalenenkapelle

S U S P E N D E D


Patricia Dreyfus schreibt über ihr Werk: „Mein Werk, in dem ich verschiedene Techniken und Medien verwende, ist voller menschlicher Kreaturen und Symbole. Ich stelle mir Fragen, die mir am Herzen liegen, wie Herkunft, Identität und Geschlecht in einer zunehmend verwirrten und unsicheren Welt.  Ich arbeite in Serien von Zeichnungen, Stickereien und Skulpturen. Alle Serien sind Teil einer Welt, die ich aus meiner eigenen Realität heraus konzipiere und mir vorstelle, gefiltert durch meine Beobachtung, um sie, wie ich hoffe, mit ein wenig Poesie und Ironie anderen zugänglich zu machen.“

Patricia Dreyfus wurde in Dakar, Senegal, geboren und verbrachte ihre Schulzeit in Paris. Bis 1992 arbeitet sie als Dokumentarfilmerin in den Bereichen Kunst, Musik und Wirtschaft und gewinnt mit La rencontre au sommet den Preis für den besten Film auf dem Filmfestival von Biarritz 1987. Ihre Filmarbeiten sind im Institut du Monde Arabe, Paris, im Centre Georges Pompidou, Paris, im Musée d’Art Moderne, Paris und im Musée de Pontoise zu sehen.
Parallel dazu studierte sie von 1982 bis 1984 Kunst mit den Schwerpunkten Zeichnung und Skulptur im Atelier Gregory Mazurovsky im American Center und an der Académie de la Grande Chaumière, Paris.
Von 1992 bis 2012 lebte sie in Basel und entwickelte dort ihre künstlerische Arbeit. Seit 2012 lebt und arbeitet sie in Berlin und stellt international aus.

Dr. Carmen Putschky, Autorin und Kunsthistorikerin, schreibt über das Werk  S U S P E N D E D:

„Ein langer, transparenter Stoff hängt herab, an der Decke befestigt, breitet sich im Raum aus, 160 cm breit und 500 cm lang. Auf ihm befestigt sind kleine helle Rechtecke aus Baumwollstoff, nachlässig aufgebracht, teilweise hängen die Ecken ein wenig hinab. Sie bekommen so eine skulpturale Wirkung, spielen mit Licht und Schatten, sind nicht ganz zu sehen. Gleichzeitig sind sie symmetrisch auf dem transparenten Stoff angeordnet – so zählt man 50 Felder in vier horizontalen und neun vertikalen Streifen. Auf dem Boden verliert sich diese Regelmäßigkeit – die rechteckigen Stoffstücke sind nun nachlässig und wie zufällig hingelegt. Sie nehmen Raum ein über die Grenze des hängenden, transparenten Stoffes.

In diesem Bodenbereich befindet sich auf dem Stoff ein kleines Modell aus Gips. Als einfache Form eines Hauses ist es universell erkennbar. Davon ausgehend legen sich rote Fäden über die Fläche hin zu den am Boden verteilten Rechtecken. Es entsteht ein Liniengewirr, dessen Bewegungsrichtung nicht bestimmbar ist. Das Haus steht für das persönliche Zentrum, die Matrix. Es wirkt nicht zugänglich, unversehrt. Von dort gibt es eine Vernetzung zu und von den Bildern, also im übertragenen Sinne zu den Erlebnissen, Erfahrungen. Dieses Arrangement steht für die individuellen Lebenswege einer jeden Person. Die verschlungenen roten Fäden weisen in verschiedene Richtungen und erinnern an pulsierende Blutadern. Die Rechtecke weisen eine gestickte lineare schwarze Rahmung auf. Darin erscheinen ebenfalls gestickte zeichnerische Motive in schwarz, rot, rosa und orange.

Motivisch handelt es sich um weiblich-figurative Darstellungen – mal ein Kopf, mal eine Form, die dem Körper einer Frau nur ähnelt, mal konkret erkennbare Figuren. Oft sind es nur Andeutungen, manchmal ist es konkreter, immer rätselhaft und surreal. Die Frauengestalten werden in verschiedenen Zuständen präsentiert: zu zweit oder alleine, auf dem Kopf, stehend oder liegend, schwanger oder gebärend, manchmal werden sie zu metamorphotischen Wesen. Oft weisen sie bestimmte Schlüsselreize auf wie rote, hochhackige Schuhe, Münder, Brüste, Vulven. Mit den Bildern wird das Erzählen einer Geschichte suggeriert – jedes einzelne Bild erzählt etwas und alle zusammen bilden eine Bildfolge.

Die gesamte Installation wirkt fast immateriell – transparent, leicht, weich, zart und ist zeitgleich ein eindrucksvolles Hindernis. Das Werk ist raumgreifend, nutzt haptisch greifbare Materialien, stellt sich in den Weg, greift in die Umgebung ein – auch in den Denkraum der rezipierenden Person.

Das Wort „Suspended“ hat laut Wörterbuch viele Übersetzungsmöglichkeiten wie schwebend, hängend, unbestimmt, unentschieden, aufgeschoben, aufgehoben, angehalten. Das Werk S U S P E N D E D (Embroideries on cotton, transparent fabrics, thread, plaster, 160×500 cm) lässt sich so assoziieren mit Erinnerungen an Erlebnisse, mal präsent, mal verschüttet, nicht beeinflussbar, subjektiv und die Persönlichkeit eines jeden Menschen bestimmend.

S U S P E N D E D ist ein persönliches Werk, es erzählt die Lebensgeschichte einer Frau, wie ein Rückblick auf ein leidenschaftliches und intensives Leben. Ein Erzählfluss überfällt uns. Dennoch sind wir nicht in der Lage, einen voyeuristischen Blick zu werfen – wir ahnen, dass die Kunst das Wissen vieler Erfahrungen, Erlebnisse, Leiden, Freuden, Trauer, Schmerzen und Freuden in sich birgt. Wir können die rätselhaften Bildfolgen jedoch nur durch unsere eigenen Erfahrungen lesen und kommen so dazu, über uns selbst nachzudenken: Was haben wir erlebt? Was definiert uns? Wie wollen wir unser Leben und unsere Beziehungen gestalten?“

Öffnungszeiten: samstags und sonntags von 14-17:00 , der Eintritt ist frei

Foto: Patricia Dreyfus, 2023

Tags: Ausstellungen, TOPEVENT

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